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  Hunde mit Handicap - Think Pawsitive!
 

Hunde mit Handicap - Think Pawsitive!


Artikel 8

Der Hund hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit


Alle Arten von Quälereien und Misshandlungen sind ohne Ausnahme unzulässig. Hunden dürfen unter keinen Umständen körperliche Defekte angezüchtet werden (Qualzucht z. B. bei Shar-Pei, Bulldoggen, Pekinesen, Toyrassen). Bei züchterischen Maßnahmen dürfen genetische Defekte nicht in Kauf genommen werden. Ein körperlicher oder genetischer Defekt kann auch darin bestehen, dass Hunde nur noch eingeschränkt in der Lage sind zu kommunizieren (extreme Faltenbildung im Gesicht). Vom Kauf solcher Hunde sollte abgesehen werden! Hunde haben ein Recht auf tiermedizinische Hilfe bei Krankheit und Schmerzen. Das umfasst auch das Recht in aussichtslosen Situationen vor weiteren Leiden bewahrt zu werden. Der Besitzer hat in diesem Fall dafür Sorge zu tragen, dass der Hund fachgerecht eingeschläfert wird. In die körperliche Unversehrtheit des Hundes kann eingegriffen werden, wenn eine Kastration sinnvoll ist. Eine Kastration ist auch ohne tiermedizinische Indikation immer dann sinnvoll, wenn ansonsten ein anderes Recht des Hundes (z. B. das Recht auf freie Bewegung - Artikel 6) erheblich eingeschränkt werden würde.

(Quelle: www.canis-kynos.de , Die Rechte des Hundes)


Der Hund hat ein Recht auf Leben – was aber, wenn die körperliche Unversehrtheit aus welchen Umständen auch immer nicht mehr gegeben ist? Und ich gehe noch einen Schritt weiter: Was, wenn die geistige Unversehrtheit nicht mehr gegeben ist? Ist dann das Recht auf Leben verwirkt? Gehörlos, blind, dreibeinig, gelähmt, autistisch, Angststörungen bis zu neurotischem Verhalten, kaputt-gezüchtete Hüften, Schmerzpatienten, Hirnschäden durch Epilepsie, Traumata durch Unfälle, inkontinent und senil. Diese Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Wo ist die Grenze zum lebenswerten Leben? Was ist lebenswertes Leben? Wann ist eine Situation aussichtslos? Ein jeder Hundebesitzer stand wohl schon einmal davor, dies beurteilen zu müssen, denn die wenigsten Hunde sterben heute einen so genannten natürlichen, d.h. durch die Natur bestimmten Tod. Und man kommt sich jedes mal wie ein Mörder vor, wenn man den Tierarzt zu sich nach Hause ruft. Zumindest mir geht es so. Aber man ist es dem geliebten Vierbeiner schuldig, den letzten Weg mit ihm gemeinsam zu gehen. Soviel Moral und Anstand sollte man nach dem Zusammenleben haben, egal, wie lange dies gedauert hat.


Das Problem: Die Beurteilung von lebenswerten Leben ist individuell. Sie hängt vom Menschen ab. Von seiner jeweiligen Persönlichkeit, von seiner Beobachtungsgabe, von seinem Willen, sich mit seinem Hund auseinander zu setzen. Der Hund selber kann nichts dazu beitragen und das ist dann schon sehr viel Verantwortung für den Menschen.

Ich kann immer nur aus meiner eigenen Erfahrung sprechen: Das Zusammenleben mit gehandicapten Hunden ist schön, anstrengend, man muss sein Handeln ständig selbst hinterfragen und muss sich reflektieren. Man muss nach Lösungen und Möglichkeiten suchen, manchmal sein komplettes Leben einem gehandicapten Hund anpassen und sich im Zweifelsfall auch selbst Fehler eingestehen. Dieser durchaus starken psychischen Belastung ist nicht jeder Mensch gewachsen. Im Endeffekt ist dieses Zusammenleben für uns hier vor allem eines: Positiv!, denn es eröffnet einem Menschen die Möglichkeit zur Weiterentwicklung und man erfährt sehr viel über persönliche Grenzen, denn gehandicapte Hunde brauchen unser Mitleid nicht, sie brauchen die Chance auf ein artgerechtes und ihren Bedürfnissen angepasstes Leben.


Negativ wird es, wenn sich Außenstehende erlauben, die Lebensqualität eines Hundes zu beurteilen, den sie gar nicht kennen. Noch schlimmer wird es, wenn sie nicht einmal die Person kennen, die sich um genau jenen Hund kümmert. Meist werden sogenannte Kritiker auf den Plan gerufen, die sich nie in ihrem Leben um einen gehandicapten Hund gekümmert haben und denen die Vorstellungsgabe fehlt, dass auch dieses Leben erfüllend für einen Hund sein kann. Blöde Sprüche von Passanten musste sich dann wohl jeder einmal anhören, grenzwertig wird es, wenn das umfassend polemisierend propagiert wird, über das Internet beispielsweise. Dann wird schon mal von Schaschlik-Tierschutz gesprochen. Für mich persönlich ist Schaschlik-Tierschutz, wenn ich mir einen Tofu-Schaschlik kaufe. Und damit ist die Diskussion auch schon zu Ende.


Es mag sie geben, die grenzwertigen Fälle von schwerstgehandicapten Hunden, wo man geneigt ist, ihnen ein lebenswertes Leben abzusprechen. Hunde, die chancenlos auf lange Transporte geschickt werden und letztendlich innerhalb kurzer Zeit von ihrem Leiden erlöst werden müssen. Allerdings hat niemand ein Recht, über diese Hunde anhand von ein paar Bildern, die grundsätzlich Momentaufnahmen seines Zustandes sind, über Leben und Tod zu entscheiden und dieses auch einzufordern. Diese Entscheidung muss den Menschen überlassen werden, die eng an diesem Hund dran sind, denn genau diese Menschen tragen eine schwerwiegende Verantwortung für ihn, für die sie letztendlich auch gerade stehen müssen. Vor allem vor ihrem eigenen Gewissen.


Die Setterburg ruft hiermit die Aktion „Hunde mit Handicap – Think Pawsitive!“ ins Leben. Wir veröffentlichen Erfahrungsberichte aus dem Zusammenleben mit gehandicapten Hunden. Diese sollen Mut machen, vielleicht doch einmal einem solchen Hund die Chance auf ein Familienleben zu bieten. Aber sie sollen auch auf Schwierigkeiten im Zusammenleben hinweisen – jeder, der einem gehandicapten Hund ein Zuhause bieten möchte, sollte über die damit verbundenen Probleme aufgeklärt werden. Wir möchten Menschen miteinander vernetzen, die vielleicht schon einen solchen Vierbeiner auf der Couch haben oder Hilfe bei der Bewältigung des alltäglichen Lebens mit einem Handicaphund brauchen. Schickt uns, wenn ihr mögt, also Eure Geschichte eines Handicaphundes. Wir veröffentlichen sie auf unserer Website.


Sylke Beyer im Namen aller Setterburgler, die mit Handicap bei uns eingezogen sind, um ihr Leben zu leben

November 2011

 
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