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  Es ist was faul ....
 

 

Es ist was faul ....


Prolog:

Sieben Jahre sind es nun schon, dass Pflegehunde bei uns ihren Einzug in der Setterburg halten. Sieben Jahre, in denen wir viele Erfahrungen machen durften. Jeder Neuling hat uns etwas vom Leben gelehrt, viele Persönlichkeiten durften wir in ihren neuen Lebensabschnitt begleiten, manche auch auf ihrem letzten Weg. Und das ist gut so und so soll es auch bleiben. In dem, was wir hier machen, steckt jede Menge Herzblut, viele Emotionen und immer, aber wirklich immer, entscheiden wir ausschließlich im Sinne des Hundes, was uns manchmal nicht unbedingt zu Sympathieträgern macht, aber es gibt bei uns keine Vermittlung um der Vermittlung willen.


Was passiert also, wenn man im Tierschutz auf einen Fall stößt, in dem ein sehr alter Hund vermittelt werden soll, von dem gesagt wird, dass er einen Tumor am Hintern hat? Dass ausgerechnet dieser alte Hund auch noch ein Setter ist, der inmitten von über 200 anderen Hunden sitzt, in einem Tierheim in Ungarn, das aufgrund der angespannten finanziellen Situation nur in der Lage ist, die Grundversorgung und Kastrationen zu sichern, von umfangreichen medizinischen Checkups und Behandlungen ganz zu schweigen, genau dieser Hund nie einen kompetenten Fachtierarzt gesehen hat, geschweige denn jemand genau über ihn Auskunft geben kann? Und genau dieser Hund ist .....


..... Zénó!

Anfang März 2011: Ich bekomme eine Mail von unseren ungarischen Kooperationspartnern, dass ein sehr alter und sehr kranker Irish Setter in einem Tierheim nahe der serbischen Grenze sitzt und dieses Tierheim seine medizinische Versorgung nur sehr bedingt sichern kann. Natürlich sage ich den Buben sofort zu und bitte, ihn in die Nähe von Budapest zu bringen und dort bei einem Tierarzt in einer spezialisierten Tierklinik vorzustellen. Alles, was ich von ihm weiß ist, dass er einen Tumor am Hintern hat, der nicht operiert ist, alt und ein Irish Setter ist und Zénó heißt. Die Kosten werden wir natürlich übernehmen, so, wie wir es immer machen, denn es ist kontraproduktiv, wenn ausländischen Tierschutzkollegen Nachteile entstehen. Das ginge nur zu Kosten ihrer eigenen zu versorgenden Schützlinge. Kurze Zeit später erreicht mich die Nachricht, dass Zénó am Samstag in dieser Woche umziehen und den Rest seiner Impfquarantäne mit der nötigen medizinischen Versorgung in Budapest abwarten wird.


Donnerstag, 10.03.2011: Im Internet entdecke ich eine Anzeige, Schutzgebühr 200 €, mit Zénó von einem Verein, der sich hauptsächlich um Jagdhunde aus Italien und Spanien kümmert und zu diesem Zeitpunkt sage und schreibe 280 (!) Hunde in der Vermittlung hat. Ich habe ein Fragezeichen über dem Kopf. Anzeigentext: „Zeno wurde Tumor am rechten Hinterschenkel entfernt. Ansonsten scheint er soweit ok!“ Weiter unten „Melden Sie sich?“

Da ist es wieder, mein wütendes Magenknurren, denn ich weiß, dass der alte Bub noch nicht operiert wurde und zwar aus absolut sicherer Quelle. Mal ganz abgesehen davon, dass noch niemand von diesem Verein den Hund genau angeschaut hat. Wie auch?


Freitag, 11.03.2011: Ich bin ein wirklich neugieriger Mensch, also melde ich mich und rufe die zweite Vorsitzende dieses Vereins, die in oben genannter Anzeige auch als Vermittlerin angegeben ist, an. Wir schätzen unsere Tierschutzarbeit gegenseitig nicht sonderlich hoch ein. Sie hält mich für einen Korinthenkacker (womit sie nicht unrecht hat) und wahrscheinlich auch für unfähig, ich sie für eine Quantitätsvermittlerin. Jedenfalls erreiche ich sie nicht. Irgendwann ruft sie mich zurück und erwischt mich mitten in meiner Trainingsrunde mit Pufa und Mirek. L.G. Ist sehr erstaunt, dass ich mich am anderen Ende der Leitung melde, denn unsere Kontakte hatten sich bisher nur auf das Nötigste beschränkt, genau genommen für 2 Vorfälle in den letzten sieben Jahren. Ich spreche sie auf Zénó an und sie meint, ich könne ihn ruhig übernehmen, denn sie müsse sich nicht jeden Hund ans Bein binden (Zitat), aber sie hätte wohl schon einen Pflegeplatz für ihn. An dieser Stelle wird mir schlagartig klar, dass geplant ist, Zénó in genau diesem Tierheim dann operieren zu lassen, wenn sich ein Interessent für ihn gefunden hat – sprich: Erst dann, wenn es sich auch lohnt, sei es aus Prestige- oder finanziellen Interessen heraus. Die Abartigkeit dieser Aussage wird mir erst Minuten später bewusst: Wieso tritt man einen Hund an eine andere Stelle ab, wenn man eh schon die passende Familie für ihn gefunden hat? Hier geht es schon lange nicht mehr um Zénó – hier geht es um Vermittlungen, um Kosten und nicht zuletzt um das eigene Ego. Niemand von diesem Verein hat sich je mit ihm beschäftigt, niemand nach seinen Bedürfnissen gefragt, die gerade beim alten Hund oft sehr spezieller Natur sind und eigentlich hat sich auch nie jemand wirklich zu diesem Zeitpunkt für ihn interessiert, bis auf die ungarischen Tierschutzkollegen an der serbischen Grenze, die wussten, dass Zénó ein sehr kostenintensiver Hund werden würde, der ein Recht auf ein selbst bestimmtes Leben hat und die aus genau diesem Grunde verzweifelt nach einer Lösung für den alten Setter suchten und sich auch in ihrer Verzweiflung an genau diesen deutschen Verein wandten. Irgendwie war mir bewusst, dass Zénó die letzte Geige bei dieser Aktion spielte, aber niemand wird Schindluder mit einem alten Hund treiben, von dem ich einmal Wind bekommen habe. Also erklärte ich ihr freundlich, dass ich in diesem Fall natürlich gerne auf den alten Setter verzichten würde, in der Hoffnung, sie nehme mir das auch ab. Nach dem Gespräch kam ich in die Gänge, kontaktierte meine ungarischen Kooperationspartner und schilderte meine Bauchschmerzen. Diese sahen den Fall glücklicherweise ähnlich, setzten sich mit dem Tierheim an der serbischen Grenze in Verbindung und sicherten denen erneut die umfassende medizinische Versorgung von Zénó zu, auf unsere Kosten natürlich. Wir konnten ihn haben. Sonntag darauf zog er in unsere kleine Auffangstation vor den Toren Budapests ein.


Montag, 14.03.2011.: Mich erreicht eine etwas unfreundliche Mail der Dame von dem deutschen Verein. Ehrlich gesagt hatte ich mich schon gefragt, wann das Ganze endlich auffliegen würde. Die ungarischen Tierschutzkollegen hatten auf Nachfrage an L.G. gemailt, dass sich Zénó nun in Budapest befinde, hatten meine Kooperationspartner als Kopieempfänger in die Mail gesetzt, diese wiederum an L.G. gemailt, dass nun eine gewisse Sylke Beyer als Verantwortliche für den alten Buben zeichnete. Die Mail von L.G. begann mit


 

 
 
 

 

Hallo Sylke,

was nun? Ist er nun doch bei deinen Leuten? Ich wundere mich ehrlich gesagt gerade ein wenig über das Vorgehen. ....“.


Meine Antwort darauf:


Hallo ....,


ich wundere mich ehrlich gesagt im Tierschutz über gar nichts mehr. Zénó wird dann vermittelt werden, wenn sich ein Onkologe seinen nichtoperierten Tumor angesehen hat und dieser - wenn möglich - austherapiert ist, wenn er den kompletten Blutcheck hat, die Impfquarantäne durchlaufen hat und natürlich beim Herzultraschall war. Und vor allem erst dann, wenn über ihn und sein Verhalten, seine Bedürfnisse und seine notwendige weitere medizinische Behandlung bei eventuellen neuen Besitzern umfassend Auskunft gegeben werden kann. So, wie es im verantwortungsbewußten Tierschutz Standard ist. Und eher nicht.


Du müsstest Dich nun entscheiden, ob Du Dich diesem Qualitätsmanagement anschließen möchtest oder von einer Vermittlung Abstand nimmst.


 

 
 
 

 

Beste Grüße,
Sylke“


 

 
 
 

Danach ging es noch ein paar mal hin und her, es wurde erst von einem Pflegeplatz mit Übernahmeoption gesprochen, dann von einem Endplatz und es wurde vor allem verleugnet, dass er noch nicht operiert sein. Dann wurde die Schuld auf die ungarischen Tierschutzkollegen geschoben, die angeblich L.G. falsch informiert hätten und so weiter. So ein Pech aber auch, dass in der ersten Mail der Briefverkehr mit genau den ungarischen Tierschutzkollegen anhängig war, auf deutsch. Und genau aus diesen Mails ging hervor, dass L.G. wusste, dass Zénó noch nicht operiert war. Hochnäsig wurde mir aufs Butterbrot geschmiert, dass ich ja nun auch die Kosten für ihn tragen müsse. Wie dumm muss man eigentlich sein und was für ein riesiger Haufen Bullshit war das? Immerhin hatte sie dann noch den Interessenten an mich verwiesen mit den Worten „Mach was draus.“, die nichts weiter als der reine Hohn waren. Genau mit diesem älteren Herrn hatte ich schon gut 5 Monate vorher Kontakt. Dabei ging es um 2 ältere Setterbuben aus einem Todesfall, die er gerne adoptiert hätte. Allerdings machte er kein Hehl daraus, dass er nicht in der Lage war, einen Hund im Notfall die Treppenstufen bis zu seiner Wohnung zu tragen, weshalb ich damals von einer Vermittlung Abstand genommen habe.

Es ist was faul .... ich fasse also noch einmal kurz zusammen: Irish Setter, alt, mit ungesicherter Tumordiagnose, eigentlich überhaupt nicht richtig diagnostiziert, soll an einen älteren Herrn vermittelt werden, der sich im Notfall nicht angemessen um diesen Hund kümmern kann. Nebenbei wird dieser ältere Herr über den Zustand des Setters belogen, dass sich nur so die Balken biegen. Und das Ganze unter der Option verantwortungsvoller Tierschutz. Für den Hund interessiert sich Vermittlerin L.G. herzlich wenig, sondern ist bereit, die OP unter fragwürdigen Umständen im Ausland ohne gesicherte Diagnostik durchführen zu lassen. Hinzu kommt noch eine Vermittlungsgebühr von zweihundert Euro. Hier zählte weder der Mensch noch der Hund. Sauber!


Donnerstag, 17.03.2011: Der Tag des großen medizinischen Checkups in Budapest. Zénó hatte einen bösen Husten, der Tumor am Hintern war keiner, sondern ein Dammbruch, in den die Blase gerutscht war. Klapperdürr, das alte Herz war nicht das Beste, sein Blutbild weist eine heftige Blutgerinnungsstörung auf und er hat den grauen Star – das komplette Programm also. Der Bruch geht zu operieren, allerdings müsse Zénó erst stabilisiert werden. Eine sofortige OP würde er nie und nimmer überleben, so der Tenor der ungarischen Tierärzte. Er kriegt also Antibiotika, mehrere kleine Portionen zu essen am Tag und der Kot- und Urinabsatz wird engmaschig überwacht. Zénó freut sich des Lebens, liebt kleine Spaziergänge und macht gerne Hundebekanntschaften. Unsere Ungarn kümmern sich gut um ihn.


Samstag, 02.04.2011: Endlich hat Zénó gültige Impfungen und ich rase nach Ungarn, um ihn abzuholen. Zénó ist ein wirklich liebenswürdiger alter Herr, der vor Lebensfreude sprüht. Mein kleines Rudel zu Hause ist glänzt mal wieder durch vorbildliches Sozialverhalten, Zénó macht es ihnen aber auch verdammt einfach. Nur das Betreten des Hauses macht ihm Probleme, er zeigt ein deutliches Angstverhalten. Er wird seine Erfahrungen gemacht haben. Ich bin einfach nur froh, dass er endlich da ist.


Sonntag, 03.04.2011: Wir haben einen Termin zum umfangreichen diagnostischen Absicherung in der Tierklinik Kelheim. Wie so oft, kümmert man sich vorbildlich um meine Notfälle und mich. Und überhaupt muss ich endlich einmal eine Lanze für Frau Dr. Braun-Schmidt und ihr Team brechen, die immer für mich Zeit haben, auch sonntags. Der Dammbruch bestätigt sich, im Ultraschall ist zu erkennen, dass es sich allerdings um eine Verletzung handelt, die mehrere Monate alt sein muss. Blase und Prostata befinden sich nicht an ihrem Platz. Die Blutgerinnungsstörung ist fortgeschritten, wahrscheinlich aufgrund eines Hodentumors. Die Verhärtung ist deutlich fühlbar. Ich habe die Wahl, operieren oder nicht. Frau Dr. Braun-Schmidt würde ein Spezialistenteam aus der Schweiz anreisen lassen, mit dem sie gute Erfahrungen gemacht hat. Ich muss eine Nacht darüber schlafen, denn ich möchte Zénó nicht noch den letzten Rest seines Lebens nehmen. Auf der anderen Seite – was ist, wenn die OP ihm ein längeres und vor allem glücklicheres Leben ermöglicht und damit die Chance auf eine eigene Familie, die seinen eigenen Ansprüchen gerecht wird? Habe ich ein Recht, ihm das zu nehmen, weil ich es nicht versucht habe? Weil ich zu feige war? Es wird meine Entscheidung sein und die Verantwortung wird mir keiner abnehmen können, das weiß ich. Zénó liegt derweil auf dem Behandlungstisch, schaut mich aus seinen großen weisen Augen liebevoll an und wedelt mit dem Schwanz. Er vertraut mir – und ich muss mich jetzt dieses Vertrauens würdig erweisen. Er hat beschlossen, dass ich nun Teil seines Lebens bin, seit ich ihm das Futter hingestellt und ihn ausschließlich mit freundlichen, aufmunternden Worten und zärtlichen Gesten bedacht habe. In seinem Sinne entscheiden, das wird die Leitmaxime meines Handels sein. Ich erbitte mir einen Tag Bedenkzeit.



Montag, 04.04.2011: Ich rufe in Kelheim an und stimme der OP zu. Zénó hampelt derweil im Garten herum und macht Bocksprünge vor Freude, sobald er Rudi oder mich sieht. Er frisst gut und ist voller Lebenslust – das alles hat mich bewogen, der OP zuzustimmen. Sie wird für Mittwoch Abend angesetzt.


Mittwoch, 06.04.2011: Ich hatte einen wirklich unruhigen Tag, voller Zweifel, ob ich das Richtige tue. Ich weiß, dass, wenn die OP schief geht, es mich ein tiefes Loch reißen wird und ich weiß nicht, ob ich dann jemals wieder eine solche Entscheidung treffen könnte. Wir müssen jetzt beide da durch, der Zénó und ich. Tief durchatmen – ich muss stark sein, für ihn. Drei Tierärzte stehen für die OP bereit und mehrere Tierarzthelfer. Wir legen ihn in Narkose und ich fange ihn auf, als er in Morpheus Arme hinüber gleitet. Wir tragen ihn zum Ultraschall, Zénó ist wie eine Feder in meinen Armen. Als sich innerhalb von Sekunden um die Einstichstelle der Narkoseinjektion ein Hämatom bildet, höre ich Dr. Hartmann sagen „Es ist was faul ....“. Er entschließt sich, alle Organe zu schallen. In Zénós Milz entdeckt er drei große Tumoren, in der Leber mehrere Metastasen. Nicht nur in mir macht sich Verzweiflung breit. Ich bin alles andere als erleichtert, dass mir die Entscheidung nun abgenommen wurde. Ich habe meinem Buben aus vollstem Herzen sein Leben gewünscht, bei Tumoren dieser Größe wird sein Leben nun auf einen sehr kleinen Teil minimiert. Durch meinen Kopf schießt ein Bild des durch den Garten springenden Zénó. Er wird sein Leben bekommen, bei mir. Rudi und ich werden den letzten Weg mit ihm gehen. Während er aus der Narkose erwacht, erzähle ich ihm, wie schön das Leben ist und was es noch alles zu sehen und zu erleben gibt. Als er wach ist, fahren wir nach Hause. Unterwegs muss ich hysterisch lachen – das Leben ist nicht schön, sondern ein riesiger Haufen .... Bullshit....


Als er aus dem Auto aussteigt, nötigt er mich gleich zu einem Spaziergang. Wie Recht er hat. Als ich die Wohnungstür aufschließe, stürmt er ins Haus, wird vom Rest meines kleinen Rudels begrüßt und freut sich seinen dünnen Hintern ab. Zénó ist Zuhause, es ist sein Zuhause und das wird es bleiben. Die nächsten Tage verbringen wir jede freie Minute mit ihm. Oft setze ich mich zu ihm, kraule ihm den Bauch und erzähle ihm vom Wald – DEM Wald! Er liegt da, wedelt mit dem Schwanz und hört sich meine Tiraden nur allzu geduldig an. Er muss mich für einen ziemlichen Quatschkopf halten und erträgt es mit Langmut. Das Wochenende darauf geht es ihm schlechter. Wir beginnen, ihn medikamentös einzustellen, die Schmerzmittel greifen schnell und am Montag ist Zénó bereits wieder der alte. Und wie er in sein Futter rein haut und fröhlich ist. Er ist so bescheiden und brav, dass es mir fast das Herz bricht. Zénó holt mich mit seiner grenzenlosen Lebensfreude immer sehr schnell auf den Boden der Tatsachen zurück. Ein Hund lebt im hier, jetzt und heute. Er schert sich weder um seine Erkrankung, noch um seine Vergangenheit und das ist gut so. Zénó ist einfach nur Zénó – mit jeder Faser seines Seins, da gibt es keine Diskussion. Ich verspreche, ihn am Wochenende mit in den Wald zu nehmen, am Sonntag, auf eine seinen Bedürfnissen angemessene Runde, wenn er nur weiter so stabil bleibe.



Tief in mir brodelt es weiter. Tierschützer hätten es fast geschafft, den Buben um seine letzten Lebenswochen zu bringen, um das letzte bisschen Glück in seinem Leben überhaupt. Er hätte die OP in Ungarn nicht überlebt, so wie er die in Deutschland nicht überlebt hätte. Die Sache stinkt so zum Himmel, dass mir noch immer übel dabei wird. Wie vielen Hunden passiert so etwas? Wie vielen? Wie vielen, von denen später auf Websites behauptet wird, leider hat es Hund XYZ nicht geschafft? Wie viele Menschen werden so belogen? Ich bin froh, dass ich mich in diesem Fall auf mein Bauchgefühl verlassen und die Notbremse gezogen habe ... wie viele haben aber keinen, der sie zieht?


Samstag, 16.04.2011: Ich habe den Wochenenddienst in der Arbeit. Eigentlich muss ich erst gegen 7 Uhr aufstehen, denn Rudi hat den Morgenspaziergang mit den Hunden übernommen. Eigentlich, wenn da nicht Seine Lordschaft, der alte English Setter Gentleman, wäre, der beschließt, dass es um 6 Uhr morgens im April im Garten besonders schön ist. Er weckt mich und ich krabbele mit einem geseufzten „Ach, Lordi!“ aus dem Bett. Was sich Lord einmal in den Kopf gesetzt hat, das kriegt er auch. Zénó schläft noch, die anderen auch. Lord und ich stapfen im Garten umher, genießen die ersten Sonnenstrahlen des Tages. Als wir wieder ins Haus kommen erwacht Zénó, springt schwanzelnd auf und läuft mir drei Schritte lachend entgegen und ....

... bricht zusammen. Ich weiß, dass in just diesem Augenblick seine Milz ruptiert ist, es gibt keine Hoffnung mehr. Während ich tränenüberströmt den alten sterbenden Setter in meinen Armen halte, zwinge ich Trauer und Verzweiflung von mir. Das soll nicht das letzte an Gefühlen sein, was er mitnimmt, in die andere Welt. Lord kommt zu uns und tut etwas, was er noch nie getan hat, er schleckt mir die Tränen vom Gesicht, schnüffelt mir ins Ohr und legt sich anschließend in respektvollem Abstand zu uns. Der Sensenmann ist für ihn ein alter Bekannter und nur allzu oft hat er ihn schon unerbittlich von seiner Schwelle gewiesen. Man kennt sich.



Wie betäubt fahre ich in die Arbeit. Der CD Player drückt in größtmöglicher Lautstärke das Album „Victims of the modern age“ von Star One aus den Boxen. Wie passend. Ich höre mich singen „It all ends here!“ - Zénó ist gegangen, für immer.


Epilog:

Es ist gut eine Woche später, als ich ihn sehe, auf der Website von Tierschützern, die versuchen, die Hunde in einer ungarischen Abdeckerei bekannt zu machen. Traurige Augen starren mich durch die Gitterstäbe aus Zénós Gesicht an und diese verblüffende Ähnlichkeit ist geradezu unheimlich. Ich weiß, dass er es nicht sein kann, aber es läuft mir eiskalt den Rücken herunter.


Ein paar Tage später bekomme ich eine Mail aus Ungarn: „Es ist, als wurde uns Zénó noch einmal geschickt! Der gleiche Charakter, das gleiche Verhalten, die gleiche Freundlichkeit und das gleiche Aussehen.“ Ich habe ihn Barát genannt, Freund. Auch er wird seine Chance bekommen, in der Setterburg.





 
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