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Feanors Fluch
Dies ist eine Geschichte aus dem ersten Zeitalter der Setterburg und ich haderte lang mit mir selbst, sie aufzuschreiben. Es ist eine Geschichte von großer Trauer und Not, eine Geschichte, die davon erzählt, dass nichts unsicherer ist, als das Leben selbst.
Feanor war unser dritter Pflegehund. Lebenslustig und -hungrig zog der kleine gehörlose Setterbub mit uns durch die Wälder, stets lachend und fröhlich. Nach den Spaziergängen sprang er auf die Couch, streckte alle Viere wohlig grunzend von sich und genoss das Leben. Nach kurzer Zeit vermittelten wir ihn an eine sympathische Familie, in der auch eine gehörlose Tochter lebte. Diese hielt losen, aber regelmäßigen Kontakt und berichtete ausschließlich Positives. An dieser Stelle könnte eine glückliche Vermittlung zu Ende gehen ....
.... wenn die Tücken des Schicksals nicht wären. Es muss knapp vier Jahre später gewesen sein, als ich das erste mal von der Krebserkrankung der Frau erfuhr. Schon damals beschlich mich ein flaues Gefühl im Magen und ich bot vorsichtig an, Feanor könne natürlich jeder Zeit zu uns zurück. Nochmals gut ein Jahr später verlor die Familie die geliebte Ehefrau und Mutter und Feanor damit sein Frauchen. Es tat mir so unendlich leid und ich fühlte mich absolut hilflos. Und das war ich ja letztendlich auch. Herr R. wollte versuchen, eine Lösung für Feanor in seiner Nähe zu finden, denn er wollte verständlicherweise immer mal nach ihm sehen. Ich bot wiederum vorsichtig an, der Bub könne natürlich jederzeit wieder bei uns einziehen. Kurze Zeit später versprach Herr R., er würde Feanor vorbei bringen; nach ein paar Tagen rief er an, Svea, die gehörlose Tochter bringe ihn mit dem Zug. Kein Problem, ich hole sie natürlich ab. In diesem Gespräch erwähnte er, er habe nochmal die Zähne von Feanor machen lassen und er habe da so eine komische Beule an der Seite und auch schon Blut im Urin gehabt. Die behandelnde Tierärztin hatte wohl gemeint, man sollte das beobachten und gegebenenfalls weiter untersuchen lassen. In diesem Augenblick schrillten bei mir alle Alarmglocken, Blut im Urin ist immer ein Warnsignal... das flaue Gefühl im Magen wandelte sich in ein wütendes Knurren, unüberhörbar.
Ich habe Svea, ihre Freundin und Feanor vom Zug abgeholt. Feanor stakste steif über den Bahnsteig, ein psychisch und physisch stark gealterter Hund von gerade einmal sieben Jahren. Man sah ihm seine harte Zeit deutlich an und mir hat es in diesem Augenblick das Herz gebrochen. Ich versuchte krampfhaft mich zu beherrschen und nicht gleich in Tränen auszubrechen. Danach war mir wirklich, aber ich wollte Svea nicht belasten, denn sie hatte wirklich schon genug an der Sache zu tragen. Wir fuhren also nach Siegenburg. Svea und ihre Freundin blieben noch über Nacht. Am nächsten Vormittag verabschiedete sie sich lang von ihrem Herzensbuben, den sie wirklich über alles liebte und sie ahnte nicht, dass sie ihn nicht wiedersehen sollte. Svea war deutlich anzusehen, dass sie sich Sorgen um ihn machte.
Ich habe Svea versprochen, gleich zum Tierarzt zu gehen und auch Herrn R. davon in bei einem Telefonat in Kenntnis gesetzt. Das taten wir auch umgehend und am nächsten Tag gleich noch einmal, denn ich wollte zur Erstdiagnose noch eine zweite. Es war niederschmetternd – beide Tierärzte stellten die gleiche: Ein riesiger Prostatatumor von 10 x 5 cm, der bereits in Leber, Milz, Bauchraum und Haut gestreut hatte. Der Ultraschall war eindeutig, Feanor war unheilbar krank und keiner hatte etwas bemerkt. Nur Svea schrieb mir später in einer Mail, sie hatte so ein schlechtes Gefühl gehabt. Hinzu kamen schwere Spondylosen und ein Herzschaden und die Leber war natürlich arg in Mitleidenschaft gezogen. Feanor war also zu uns zurückgekommen, um bei uns seinen letzten Gang zu gehen.
Dieser Befund hat mich in Stücke gerissen.
Ich erlaubte mir, Herrn R. ein paar Tage später über unseren Tierarztgang in Kenntnis zu setzen. Er hatte inzwischen seine Tierärztin auf meinen Wunsch von der Schweigepflicht entbunden, allerdings hielt ich es nach meinem Tierarzttermin in der Tierklinik Kelheim für verschwendete Zeit, mich mit dieser auseinander zu setzen – wer nicht mal einen Tumor von dieser Größe erkennt, hat meiner Meinung nach seinen Beruf deutlich verfehlt. Jedenfalls herrschte zu diesem Zeitpunkt Funkstille, er hat sich nicht ein mal nach Feanor erkundigt. Ich versuchte in meiner Mail sachlich die Diagnosen darzustellen, konnte jedoch nicht meine Enttäuschung über sein Schweigen und das mitgegebene Billigfutter verbergen. Ich weiß noch, wie ich bei Feanors Adoption lang und breit die Gründe für eine getreidefreie Fütterung dargelegt habe und so wollten sie es auch machen, jedenfalls wurde es mir in die Hand versprochen. Zurück bekam ich Feanor mit 2 angerissenen Säcken eines Discounterbilligfutters. Anschließend ereilte mich eine wütende Mail von Herrn R., in der er nicht nur das Futter verteidigte, sondern auch noch unterschwellig die Diagnosen in Frage stellte. Ich habe nicht mehr darauf geantwortet, alles war gesagt und ich habe auch nie wieder etwas von ihm gehört. An diesen Stellen überlege ich mir immer wieder, die ganze Setterburg an den berühmten Nagel zu hängen – wenn ich meinen Adoptanten nicht mal in der Futterwahl vertrauen kann, wo dann?
Feanor .... er war ein so tapferer Bub. Wir versuchten hier alles, um ihm seine Lebensfreude wieder zu geben und sein Leben lebenswert zu machen. Nach ein paar kleinen anfänglichen Schwierigkeiten fand er sich schnell im Rudel zurecht, man merkte ihm an, dass er in letzter Zeit wohl wenig Kontakt zu anderen Hunden genossen hatte, und wagte zögerlich, auf die Spielversuche des jungen English Setter Mirek einzugehen. Er bezog auch recht schnell dessen Bett, was dieser anstandslos abtrat. Kurze Zeit später schenkte Petra, bei der ich immer die Katzentests mit meinen Hunden mache, uns ein besonders dickes Liegekissen, was Feanor postwendend im Schlafzimmer okkupierte. Aber ganz besonders liebte er unsere langen Waldspaziergänge. Dann stand er mit Indianergeheul vor der Eingangstür, hüpfte wie ein junges Fohlen und konnte es kaum erwarten, dass es endlich los ging. Wir gaben ihm viel Aufmerksamkeit, knuddelten ihn immer wieder und küssten ihn auf seine Nase. Er hatte sein Leben wieder – auch wenn es ihm phasenweise nicht gut ging und wir mehr Gast beim Tierarzt waren, als ihm lieb war. Er hielt das wahrscheinlich für Zeitverschwendung. Wir lachten und alberten herum, passten seine Medikamente und Futter an seine Krebserkrankung an, um die letzte verkorkste Zeit bestmöglich aufzuarbeiten. Zeit - davon hatten wir wahrlich nicht mehr viel – meine Tierärztin hatte eine vorsichtige Prognose von ein paar Wochen gestellt. Ich kann nur hoffen, das es uns auch gelungen ist. Aber ich hatte immer das Gefühl, Feanor fühlt sich wohl. Er blühte nochmals sichtlich auf.
Als ich am 01.10.2010 von der Arbeit kam, schlief Feanor tief und fest und kam mir nicht, wie sonst, mit den anderen entgegen. Als er erwachte, wollte er sich schwanzwedelnd erheben, schaffte es aber nicht. Tief im Inneren wusste ich, dass es soweit war. Es wurde Zeit, ihm meinen letzten Dienst zu erweisen. Feanor ist in meinen Armen gestorben, schon nach der Narkose. Der Krebs hatte deutlich in die Lymphe gestreut. Ich habe ihn am nächsten Morgen nach Gleißenbach gefahren und an der Seite von Arco und Hator begraben. Die beiden alten Recken werden gut auf den Feanor aufpassen, da bin ich mir sicher. Ein Stück von mir ist mit ihm gegangen – die Illusion, dass alles immer einen guten Ausgang findet. Willkommen in der Realität ....
(sb)
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